Wir schreiben das Jahr 2023. Die Menschheit hat Corona bezwungen. Leider kann sie die pandemielose Zeit nicht lange genießen, denn im Oktober 2023 schlägt ein neuartiges Virus zu. Wer erkrankt, hat maximal sechs Tage zu leben. Deshalb erhält das Virus den Namen 6DM – Six Days Maximum. Während 6DM auf der Welt wütet, scheint eine Frau in London immun gegen den tödlichen Virus zu sein. Die Menschheit stirbt aus- sie aber überlebt. Doch zu welchem Preis? Das erfahren wir in Bethany Clifts Debütroman Die Letzte macht das Licht aus.
Die letzte Frau auf Erden?
Die namenlose Ich-Erzählerin ist alles Andere als eine Frau, die gut alleine zurecht kommt. Ihr ganzes bisheriges Leben hat sie sich immer nur angepasst und ihre Gefühle versteckt. Das Resultat: Depressionen und Angststörungen. Nun muss sie auf einmal stark sein, für sich selbst sorgen – und überleben! Ihre psychischen Probleme kommen ihr jedoch immer wieder in die Quere, was sich auch in ihren oft unüberlegten und spontanen Handlungen zeigt.
Manchmal verfällt die Frau in einen regelrechten Rausch. Sie nimmt Drogen, trinkt zu viel Alkohol, tanzt stundenlang im Haus ihres toten besten Freundes (dessen Leiche im Schlafzimmer liegt). Zum Übernachten sucht sie sich die teuersten Suiten Londons aus, bricht in Harrods ein und deckt sich mit Handtaschen bekannter Designer, teuren Cremes und anderen Luxusartikeln ein. Ihr ist klar:
Ich machte mir Gedanken darum, für eine Welt gut auszusehen, die nicht mehr existierte.
Seite 107
Dann wieder bekommt sie Panikattacken, sieht überall tote Menschen liegen. Verzweifelte Menschen, die im Krankenhaus Hilfe gesucht haben, und dort gestorben sind oder Menschen, die sich zum Sterben an ihren Lieblingsort, wie z. B. das Natural History Museum, begeben haben. Immer wieder ruft sie nach Überlebenden, drückt minutenlang auf die Hupe ihres Wagens, um andere Überlebende auf sich aufmerksam zu machen. Es kommt niemand.
Angst und Verzweiflung – auch bei den Tieren
Die Angst und Verzweiflung der überlebenden Frau bringt Autorin Bethany Clift hervorragend rüber. Mehr als einmal schnürte sich mir die Kehle zu. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie furchtbar es sein muss, alleine auf der Welt zu sein. Noch dazu mit psychischen Problemen, die mich innerlich zerstören. Furchtbar waren auch die Szenen, in denen die Erzählerin feststellt, dass die Tiere im Zoo oder die ebenfalls eingeschlossenen Haustiere verhungern. Ein paar Mal befreit sie einige Hunde aus den Häusern. Ein Terrier kommt ihr freudig entgegen, seine Besitzer hatten kurz vor ihrem Tod das ganze Haus mit Wasser und Futter gefüllt, damit ihr Hund so lange wie möglich überlebt. (Ok, hier brauchte ich ein Taschentuch.)
Ein anderes Mal liegt dort ein Hund, der nur noch mühsam den Kopf heben kann. Doch die Erzählerin glaubt, dass der Hund sie anlächelt. Es bricht ihr so dermaßen das Herz, dass sie ihn mit auf ihre Reise nimmt. Lucky ist fortan ihr Begleiter und ihre mentale Stütze bei der Suche nach Überlebenden. Mehr als einmal rettet Lucky sie vor Gefahren, die sich auf ihrem Weg auftun. Und immerhin ist die Frau nicht mehr ganz allein.
Ein bewegendes Buch
Die Letzte macht das Licht aus besteht aus zwei Erzählsträngen, die sich in die postapokalyptische Zeit und die Zeit vor dem Virus gliedern. So erfahren wir immer mehr über das Leben der Frau, erleben erste Panikattacken, aber auch sehr schöne Zeiten mit. Die Rückblicke sind wichtig für die Charakterentwicklung. Zudem die Frau ja alleine die ganze Geschichte trägt und ohne ausreichendes Profil wäre mir die Lust am Buch wohl vergangen. So aber konnte ich sie sehr gut verstehen, habe mit ihr gehofft und geweint. Das Buch geht eh sehr an die Nieren, natürlich besonders aufgrund der immer noch herrschenden Corona-Pandemie. Im Buch gibt es für die Menschheit keine Rettung, aber vielleicht für die Erzählerin?
Fast perfekt
Es gibt zwei Dinge, die mir an Die Letzte macht das Licht aus weniger gut gefallen haben. Zum Einen war das die teils derbe (Fäkal)Sprache. Anfangs habe ich darüber hinweggelesen, aber mit der Zeit wird es mit den ganzen Körperflüssigkeiten einfach zu viel. Ja, es liegen überall verwesende Menschen herum und der Protagonistin geht es schlecht, aber so deutlich will ich es auch nicht lesen.
Zum Anderen war es eine Wendung, die ich schon früher ahnte und die sich im letzten Drittel bestätigte. Vielleicht braucht es einen Hoffnungsschimmer, aber ich fand es nicht nötig. Großartig fand ich hingegen das Ende, da ich durch die Wendung zuvor gedacht hatte, es endet zu rosarot. Aber nein, ein gutes Ende für ein hervorragendes Buch!
Fazit
Ich konnte Die Letzte macht das Licht aus kaum aus der Hand legen, so packend hat Bethany Clift ihre Idee umgesetzt. Es ist eine spannende, teils derbe und teils sehr berührende Geschichte um eine Frau, die eine Pandemie überlebt und sich selbst findet. Ein toller Debütroman und eine große Leseempfehlung.
Herzlichen Dank an das Bloggerportal und den Heyne Verlag für das Rezensionsexemplar.
Die Letzte macht das Licht aus (OT: Last One At The Party) von Bethany Clift.
Am 13.09.2021 im Heyne Verlag erschienen.
Aus dem Englischen übersetzt von Lilith Winter.
ISBN: 978-3-453-27342-9 / 464 Seiten
3 Kommentare
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[…] Nach der Dystopie Die Letzte macht das Licht aus von Bethany Clift finde ich mich in Sanctuary – Flucht in die Freiheit erneut in einer Dystopie wieder – oder auch nicht… […]
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