Werbung: Herzlichen Dank an den Luchterhand Verlag und das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar.
Von Saša Stanišić kenne ich bisher nur das wunderbare Kinderbuch Wolf (das 2024 den Preis der Jugendliteratur in der Kategorie Kinderbuch gewonnen hat.) Sein aktuelles Buch heißt Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne, und der Titel hat mich sehr neugierig gemacht (wen nicht!). Da ich Kurzgeschichten zudem sehr mag, wollte ich das Buch unbedingt lesen. Es hat sich gelohnt.
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne – worum geht es?
Was wäre, wenn man nicht diese eine Entscheidung getroffen hätte, sondern jene andere? Was wäre, hätte man der Erwartung getrotzt? Und dann ist da trotzdem die Furcht, feige gewesen zu sein, zu lange gezögert und etwas verpasst zu haben, ein besseres Ich, ein größeres Glück, die lustigeren Haustiere und Partner. Saša Stanišić führt uns an Orte, an denen das auf einmal möglich ist: den schwierigeren Weg zu gehen, eine unübliche Wahl zu treffen oder die eine gute Lüge auszusprechen. So wie die Reinigungskraft, die beschließt, mit einer Bürste aus Ziegenhaar in der Hand, endlich auch das Leben in die eigenen Hände zu nehmen. So wie der Justiziar, der bereit ist zu betrügen, um endlich gegen seinen achtjährigen Sohn im Memory zu gewinnen. Und so wie der deutsch-bosnische Schriftsteller, der zum ersten Mal nach Helgoland reist, nur um dort festzustellen, dass er schon einmal auf Helgoland gewesen ist. Am besten wäre ja, man könnte ein Leben probeweise erfahren, bevor man es wirklich lebt.
Klappentext
Emotionale Geschichten
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne – der Titel setzt den Ton für die enthaltenen Geschichten. Saša Stanišić nimmt mich mit auf eine Reise, bei der sämtliche Emotionen bedient werden. Ich muss lachen, wenn ich die absurden ausgedachten (sind sie das?) Geschichten von Mo höre, und bin sehr berührt, als ich die titelgebende Geschichte lese. Dass ich so angetan bin von diesen Erzählungen liegt auch an Stanišić‘ lebendigen Charakteren. Ich habe sie alle bildlich vor mir gesehen.
In der Wohnung zurück setzt er Wasser für den Kaffee auf. Während das Wasser kocht, könnte er etwas anderes tun, aber er könnte auch warten und grübeln, also wählt er, wie jeder normale Mensch, Warten und Grübeln.
Seite 55
Einfühlsam und scharfsinnig schreibt der Autor über menschliche Beziehungen, Trauer, Verlust und die Komik des Lebens. Auch große Themen wie Identität und Heimat verwebt Stanišić in seinen Kurzgeschichten, die wir aber – darum bittet der Autor – trotzdem hintereinander lesen sollen. Die Geschichten sind unterschiedlich, verbinden sich aber doch auf die eine oder andere Weise.
Trauer und Verlust
Besonders bewegt – wie oben schon erwähnt – hat mich die im Titel genannte Witwe. Stanišić macht eine vielschichtige Figur aus ihr, mit inneren Konflikten, die um ihren verstorbenen Mann trauert, aber durchaus auch wieder jemanden kennenlernen möchte. Ihr innerer Monolog, der sie immer wieder in die Vergangenheit zu ihrem geliebten Mann führt, regt zum Nachdenken darüber an, wie man mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgeht. Ich hatte ein paar Tränen in den Augen …
Mit der Traurigkeit war Gisel am liebsten allein, was gut passte, weil wenn Gisel allein war, war sie meist traurig.
Seite 166
Ich mag Saša Stanišićs Stil. Er schreibt tiefsinnig, aber nicht zu schwer, und auch immer gerne mit Ironie und viel Witz. Zudem spielt er gekonnt mit der Sprache – toll! Mir haben fast alle Geschichten sehr gut gefallen. Die „Anproben“ am Ende greifen dann nochmal die vorherigen Erzählungen auf – weshalb dann auch klar ist, warum man sie der Reihe nach lesen sollte. Ein schöner Erzählband.
»Wie super wäre es«, fuhr er fort, »wenn es einen Proberaum für das Leben gäbe? Du gehst in den rein und probierst zehn Minuten aus der Zukunft? Wie bei Deichmann, nur nicht mit Schuhen, sondern mit dem Schicksal. Kostenpunkt: hundertdreißig Mark.“
Seite 7
Fazit
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne ist ein tiefgründiges, dabei aber nicht zu schweres, humorvolles und berührendes Buch mit lebendigen Charakteren. Ich kann euch diesen Erzählband nur ans Herz legen.
Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne von Saša Stanišić.
Am 30.05.2024 im Luchterhand Verlag erschienen.
ISBN: 978-3-630-87768-6 / 256 Seiten
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4 Kommentare
auf dieses Buch warte ich, bei der Onleihe vorbestellt. bin gespannt, danke für deinen Text…
lg Wolfgang
Gerne! Gib mir gerne eine Rückmeldung, wie dir das Buch gefallen hat – auch wenn es dir gar nicht gefallen hat. :)
Liebe Grüße
Marie
Dieses Buch hätte mich vom Titel und Cover nicht angesprochen, aber es klingt bei dir wirklich interessant. Ich habe es auf meine Liste gepackt, danke dir. :)
Liebe Grüße
Oh, das freut mich wirklich. :) Schön, wenn ich dich doch neugierig machen konnte. Ich denke schon, dass es dich zumindest gut unterhält.
Liebe Grüße
Marie