Im letzten Jahr bin ich mehrfach über Dunkel von Ragnar Jónasson „gestolpert“. So richtig hat das Buch nie mein Interesse geweckt, da ich auch durch das groß auf das Cover gedruckte Wort „Thriller“ abgeschreckt war. Ein Genre, das nicht zu meinen Lieblingen gehört. Allerdings hat mich die Idee zu diesem Buch bzw. dieser Trilogie gereizt. Eine Trilogie, die rückwärts erzählt wird? Wie soll denn das gehen? Ist das spannend? Letztlich hat mich diese Idee überzeugt und ich habe das Buch gekauft. Ist die Idee der rückwärts erzählten Reihe nun spannend?
In Bezug auf Dunkel, den ersten Teil der Hulda-Trilogie, kann ich nur sagen: JA!
Ein Fall wird neu aufgerollt
Dunkel führt den Leser nach Island, in die Hauptstadt Reykjavík. Hier begegnen wir der Polizistin Hulda, die Mitte 60 ist und kurz vor ihrer Pensionierung steht. Ihr Chef gewährt Hulda noch einen letzten Fall, bevor sie ihren Platz vorzeitig für einen jüngeren Kollegen räumen soll. Sie entscheidet sich für den Fall einer russischen Asylbewerberin, deren Tod als Selbstmord eingestuft wurde. Doch Hulda hat ihre Zweifel und beginnt, den Fall neu aufzurollen.
Mord oder Selbstmord?
Kommissarin Hulda Hermannsdóttir ist von Anfang an davon überzeugt, dass die junge Russin Elena keinen Selbstmord begangen hat. Doch ihr Chef bewilligt ihr lediglich zwei Wochen, um neue Beweise vorzulegen. Hulda arbeitet unermüdlich und stößt tatsächlich auf Ungereimtheiten. Allerdings wirbelt sie dabei viel Staub auf und tritt nicht nur einigen Kollegen auf die Füße. Ihre Rastlosigkeit erklärt sich auch durch ihre Vergangenheit, die im Laufe des Buches immer mehr zu Tage kommt.
Ein unblutiger Thriller
Auf dem Cover ist als Genre Thriller angegeben. Genau das hat mich zunächst davon abgehalten, das Buch zu lesen, da ich mit dem Wort Thriller eher blutige Geschichten in Verbindung bringe. Zum Glück kommt Dunkel recht unblutig daher. Der Thrill liegt in der allgegenwärtigen Spannung. Ich konnte das Buch tatsächlich schwer zur Seite legen, was auch daran lag, dass nicht nur die Ermittlungen in der Gegenwart, sondern kapitelweise auch vergangene Ereignisse in die Geschichte gestreut werden. In diesen Abschnitten werden die Personen anfangs nicht namentlich erwähnt, was zum Rätselraten darüber einlädt, von wem hier die Rede ist.
Hulda Hermannsdóttir und die Dunkelheit
Mit Hulda hat Ragnar Jónasson eine bemerkenswerte Protagonistin geschaffen. Sie ist sehr menschlich, agiert manchmal ein wenig zu impulsiv und nicht jede ihrer Handlungen konnte ich nachvollziehen. Sie ist keine Hochglanz-Polizistin, sondern eine einsame Frau, die sich in ihrem Leben größtenteils durch ihre hervorragende Arbeit definiert hat. Die Abgründe, die sich langsam auftun, hüllen sie in eine Dunkelheit, aus der sie nur schwer herauskommt.
Das Ende ist der Anfang
Das Ende kommt unerwartet und wirkt wie ein Schlag ins Gesicht. Ich rate auf jeden Fall dazu, vorher keine Details über Dunkel zu lesen. Das verstärkt den Sog von Ragnar Jónassons großartigem Buch noch um einiges mehr. Nachdem ich das Ende gelesen habe, bin ich sehr gespannt, ob Band 2 und 3, die zeitlich vor dem ersten Teil spielen, an die Spannung des ersten Buches anknüpfen können.
Fazit
Ein unglaublich spannendes und sehr gut geschriebenes Buch mit unerwarteten Wendungen und einem spektakulären Ende. Hulda ist eine bemerkenswerte Protagonistin, der ich sehr gerne auf ihren Ermittlungen gefolgt bin. Ich freue mich auf die Fortsetzung(en).
Dunkel (OT: Dimma) von Ragnar Jónasson
am 25.05.2020 bei btb erschienen.
Aus dem Englischen übersetzt von Kristian Lutze
ISBN 978-3-442-75860-9 / 384 Seiten
Hulda Hermannsdóttir-Reihe
Band 1: Dunkel
Band 2: Insel [Kurzmeinung]
Band 3: Nebel [Kurzmeinung]