Werbung: Herzlichen Dank an den Fischer Verlag für das Rezensionsexemplar.
Florian Illies hat ein Talent, mit einem einzigen Absatz ganze Zeiten aufzuschließen. Sein aktuelles Buch „Wenn die Sonne untergeht“ bestätigt das wieder einmal sehr eindrucksvoll. Es ist ein Buch, das zugleich dokumentiert, erzählt, einordnet und spürbar macht. Ein Buch, das sich zwischen Historie und Roman bewegt und durch diese Mischung eine ganz eigene Sogwirkung entfaltet.
Ein Sommer, der alles verändert
Illies nimmt uns mit in den glühend heißen Sommer 1933, in dem die Familie Mann nach ihren dramatischen Fluchten im südfranzösischen Sanary-sur-Mer strandet. Kaum angekommen – noch immer gehetzt von politischen Entwicklungen, Verlusten und den eigenen Eitelkeiten – zeigen sich die Spannungen innerhalb der Familie deutlicher denn je. Thomas Mann, der heimlich zurück in seine Münchner Villa will, trifft auf Heinrich, der das Leben im Süden genießt und die literarische Freiheit feiert. Und dazwischen sechs Kinder, die in dieser unsicheren Zwischenzeit nicht nur ihre Rollen suchen, sondern sie auch lautstark behaupten: Erika als unermüdliche Organisatorin, Klaus als Gründer einer Exil-Zeitschrift, Michael an der Geige, Elisabeth zwischen Meer und Muße, Golo als stiller Pragmatiker – und Monika, die einfach am Strand liegen bleibt.
Lebendige Zeitgeschichte
Was Illies hier schafft, ist beeindruckend: Er macht die Innenwelt dieser berühmten Familie greifbar, ohne sich im Mythos zu verlieren. Er zeigt das Schöne neben dem Schrecklichen, das Komische neben dem Verstörenden, das Politische neben dem zutiefst Privaten. Illies beschönigt nichts – auch nicht den „großen Thomas Mann“ – und gerade dadurch wirkt alles so authentisch.
»Wir sind eine erlauchte Versammlung – aber einen Knacks hat jeder«, diagnostiziert Thomas Mann im Tagebuch ganz nüchtern.
Seite 21
Seine akribische Recherche ist auf jeder Seite spürbar. Illies hat sich durch unzählige Tagebücher der Familie gearbeitet und holt dadurch auch bislang Unbekanntes ans Licht. Besonders stark gelingt ihm, die Stimmen der einzelnen Familienmitglieder hörbar zu machen. Thomas Mann erscheint überraschend schwach, sorgt sich mehr um den Verauf seiner Bücher als um die politische Lage. Anders seine Kinder: Sie rücken mit Haltung, Talent oder Eigensinn in den Vordergrund.
Thomas nimmt das Manuskript des Vortrages über »Leiden und Größe Richard Wagners« und steckt es – ein wenig ergriffen von sich selbst – in seine lederne Mappe.
Seite 8
Ein Sachbuch, das sich wie ein Roman liest
Seit Jahren liebe ich den Stil von Florian Illies, diese großartige Mischung aus Ironie, Leichtigkeit und Präzision. Auch in „Wenn die Sonne untergeht“ schreibt er pointiert und facettenreich, in kurzen, sorgfältig konstruierten Abschnitten. Dennoch wirkt alles fließend. Nichts ist trocken, nichts akademisch. Die Geschichte lebt, weil Illies sie lebendig macht. So entsteht ein Buch, das gleichermaßen unterhält, bildet, nachhallt und manchmal auch ein bisschen wehtut – gerade, wenn man die aktuelle politische Entwicklung ansieht.
»Ru-he« – er teilt das Wort immer feinsäuberlich in zwei Silben, wenn ihn eine unnötige Störung des Betriebsablaufs erzürnt. Alle im Haus wissen dann, dass jetzt nicht mehr mit ihm zu spaßen ist, selbst der Hund.
Seite 10
Für wen ist dieses Buch?
Für alle, die sich für die Familie Mann interessieren, ist „Wenn die Sonne untergeht“ ein Geschenk. Für alle, die sich bislang nicht an Thomas Mann oder die Zeitgeschichte herangetraut haben, ist es ein hervorragender Einstieg. Und wer – wie ich – die Bücher von Florian Illies eh schon liebt, bekommt auch mit seinem neuen Buch genau das, was er an ihm schätzt: Eleganz, Scharfsinn und erzählerische Wärme. Ich kann das Buch uneingeschränkt empfehlen.
Fazit
„Wenn die Sonne untergeht“ ist historische Momentaufnahme und Mahnung zugleich. Ein kluges, atmosphärisches und emotional eindringliches Buch über eine Familie im Umbruch. Ein großartig recherchiertes Sachbuch, das sich wie ein Roman liest. Große Empfehlung!
Wenn die Sonne untergeht von Florian Illies.
Am 22.10.2025 im Fischer Verlag erschienen.
ISBN: 978-3-10-397192-7 / 336 Seiten
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