Werbung: Herzlichen Dank an den Dumont Verlag für das Rezensionsexemplar und das schöne Bloggerpaket.
„Botanik des Wahnsinns“ von Leon Engler ist mir auf einer Veranstaltung des Dumont Verlags auf der Leipziger Buchmesse aufgefallen – und sofort auf meiner Wunschliste gelandet.
Stammbaum des Wahnsinns
Leon Englers Debüt „Botanik des Wahnsinns“ ist kein leichtes Buch. Gleich zu Beginn verliert der Erzähler durch eine Verwechslung die letzten Erinnerungsstücke an seine Mutter. Was bleibt, sind nur „Abfälle der Familiengeschichte“ und die Frage: Wie konnte es so weit kommen?
Wir sagten nicht, was wir gerne gesagt hätten, das taten wir nie. Wir waren aber auch nie zufrieden mit dem, was wir stattdessen sagten. Es blieb an der Oberfläche. Darunter sammelte sich, wie Staub unter einer alten Couch, das Nicht-Gesagte.
Seite 12
Der Autor entfaltet daraus einen „Stammbaum des Wahnsinns“: eine bipolare Großmutter, eine trinkende Mutter, ein depressiver Vater, ein Protagonist, der schon als Kind fürchtet, selbst den Verstand zu verlieren – und der am Ende in der Psychiatrie landet. Allerdings nicht als Patient, sondern als Psychologe. Eine starke Idee, weil sie Raum für wichtige Fragen öffnet: Was heißt eigentlich „normal“? Und kann man sich von den Schatten der Herkunft je wirklich befreien?
Kein Buch für zwischendurch
Das Buch ist tiefgründig und keines, dass man – trotz der kurzen Kapitel – so einfach nebenbei lesen kann. Engler verwebt geschickt Familiengeschichte mit der Geschichte der Psychologie, wofür man ein Faible haben sollte.
Meine Mutter war nicht nur alkoholabhängig, sie war auch depressiv. Sie war nicht nur depressiv, sie hatte auch Panikattacken. Sie hatte nicht nur Panikattacken, sondern diffuse Ängste. Diese Worte und Kategorien werden dem Leid der Menschen nie gerecht.
Seite 153
Die Sprache hat mir sehr gefallen: Viele Sätze habe ich mir notiert. Schön ist auch, dass der Tonfall zwischen Ernst und bissigem Humor changiert. Allerdings fehlte mir etwas die angekündigte Skurrilität.

Fehlende emotionale Nähe
Der Wechsel zwischen Familiengeschichte und Psychiatriealltag wirkt für mich stellenweise zu sprunghaft. Manchmal hätte ich mir gewünscht, länger in einer Szene zu verweilen und tiefer einzutauchen. Stattdessen bleibt der Text an manchen Stellen etwas fragmentarisch. Dadurch fehlte mir auch die emotionale Nähe zu den Figuren, die mir insgesamt eher fremd blieben.
Evolutionär betrachtet ist der Schmerz nicht die Krankheit. Er ist ein Warnlicht, das darauf hinweist, dass es ein Problem gibt. Ich glaube nicht, dass mein Vater das Problem war.
Seite 159
Unterm Strich empfinde ich „Botanik des Wahnsinns“ weniger als Roman, sondern eher als erzählerisches Sachbuch. Meine Erwartungen waren andere, weshalb mich das Buch nicht so sehr erreicht hat, wie ich gehofft hatte.
Fazit
Leon Engler hat mit „Botanik des Wahnsinns“ ein sprachlich starkes, gedanklich ambitioniertes Debüt vorgelegt, das zwischen Familienchronik und Psychiatrie-Handbuch schwankt. Mir war die Erzählweise zu sprunghaft, weshalb ich auch keine Nähe zu den Charakteren aufbauen konnte. Eine Empfehlung für Menschen, die sich für das Thema Psychologie interessieren.
Botanik des Wahnsinns von Leon Engler.
Am 12.08.2025 im Dumont Verlag erschienen.
ISBN: 978-3-7558-0053-8 / 208 Seiten
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2 Kommentare
Mh. Also thematisch reizt es mich, auch die Zitate gefallen mir. Aber ich verstehe deine Kritikpunkte, ich glaube, mir würde es ähnlich gehen. Danke für die ehrliche Vorstellung, liebe Marie.
Die Sprache ist auch wirklich toll! Ich denke, du solltest es versuchen – es gibt auch sehr viel ausschließlich positive Stimmen. Wenn einem die Wechsel nicht so stören, dann ist es ein tolles Buch!