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„Die Frau und der Fjord“ von Anette Strohmeyer

von Marie
Beitragsbild zur Rezension zu Die Frau und der Fjord von Anette Strohmeyer

Werbung: Herzlichen Dank an den Rowohlt Verlag für das Rezensionsexemplar.

Was für ein Cover! „Die Frau und der Fjord“ hat mich schon mit seinem Titelbild verzaubert – diese Farben, diese Weite, dieses Licht! Und weil die Lofoten schon lange auf meiner Reisewunschliste stehen, war für mich sofort klar: Dieses Buch von Anette Strohmeyer muss ich lesen.

Gros Geschichte

Trauer zieht sich wie Nebel über den Fjord – doch irgendwo schimmert ein Licht.
Die Protagonistin Gro zieht sich nach dem unerwarteten Tod ihres Mannes in ein abgelegenes Holzhaus auf den norwegischen Lofoten zurück. Vor ihr liegt der Fjord, hinter ihr die Berge. Mehr braucht sie nicht. Mehr will sie nicht. Mehr erträgt sie auch nicht. Sie will allein sein mit ihrer Trauer. Und doch beobachtet sie: das Licht, die Vögel, die Jahreszeiten. Und langsam, beginnt sie wieder zu atmen.

Ein stilles Buch über Trauer und die heilende Kraft der Natur

Anette Strohmeyer nimmt sich Zeit für diese Geschichte und das tut gut. Die Sprache ist klar, unaufgeregt und gleichzeitig voller poetischer Kraft. Ich habe beim Lesen gespürt, wie bewusst die Autorin mit Worten umgeht, wie aus Sprache Bilder werden und aus Bildern Gefühle. Ihre Erzählweise ist ruhig, eindringlich – und sie hat mich tief berührt.

Ja, dachte sie, es war Zeit, neue Schritte zu gehen. In ihren eigenen Schuhen. Sie würde das schroffe Gebirge der Trauer überwinden, das bald kleiner werden und zu einer gewellten Hügellandschaft schrumpfen würde.

Seite 235

Im Rhythmus der Gezeiten

Ein besonderes Highlight sind die Naturbeschreibungen. Sie sind atemberaubend schön, atmosphärisch, oft poetisch – und dabei niemals kitschig. Ich wollte beim Lesen sofort auf die Lofoten reisen, den Wind riechen, Beeren sammeln, die nassen Steine spüren. Die Natur ist hier kein bloßes Setting – sie ist Spiegel und Resonanzraum. Die Kargheit der Landschaft, das Licht auf dem Wasser, die Kälte des Windes – all das spiegelt Gros inneren Zustand.
 Ich habe mit ihr gefroren, mit ihr geatmet und irgendwann ihren Rhythmus übernommen.

Zartes Aufflackern eines Gefühls

Gro ist eine wunderbar gezeichnete Figur: verletzlich, ohne schwach zu sein. Stark, ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie meidet Nähe und sehnt sich doch auch danach. Als sie nach einem Sturm den Fischer Jens aus dem Fjord rettet und pflegt, beginnt sich etwas in ihr zu öffnen. Es ist kein romantischer Knall, sondern das zarte Aufflackern eines Gefühls, das lange keinen Raum mehr hatte. Und gerade das macht es so glaubwürdig und berührend.

Ebenso wie die Beschreibung der Trauer. Die Trauer, die Gro durchlebt, ist authentisch und eindringlich – ich spüre, dass hier persönliche Erfahrungen eingeflossen sind. Es ist keine glatte Trauer, sondern eine stille, zähe, und auch manchmal wütende Trauer. Und doch gibt es kleine Aufbrüche: ein verletzter Vogel, eine Robbe im Fjord, eine neue Begegnung, die leise Nähe erlaubt.

Gesellschaftskritische Ebene

Was ich nicht gebraucht hätte, war der Kriminalstrang zum Ende hin. Zwar gut geschrieben, doch für mich war das Herzstück des Romans immer Gro, die Natur und das langsame Wiederfinden im eigenen Leben.

Der Fjord lag vor ihr, schwarz und tranig. Ich kann nichts für dich tun, sagte er. Ihr Menschen seid selbst schuld, ihr macht euch das Leben gegenseitig zur Hölle.

Seite 114

Allerdings verleiht der thematische Bogen rund um die Ölförderung und den Umgang mit der Natur der Geschichte eine zusätzliche Tiefe. Die gesellschaftskritische Ebene wirkt nie aufgesetzt, sondern wird organisch eingewoben und eröffnet neue Perspektiven.

Ein Roman ohne falsche Hoffnung

Was „Die Frau und der Fjord“ so besonders macht, ist seine Weigerung, einfache Antworten zu geben. Strohmeyer schreibt keinen Ratgeber, kein „Du musst loslassen“. Keine falsche Hoffnung. Stattdessen zeigt sie: Trauer ist nicht linear. Heilung braucht Zeit.
 Und manchmal beginnt sie damit, dass man einen kleinen Vogel aufnimmt oder einen Fischer aus dem Wasser zieht.

Fazit

„Die Frau und der Fjord“ ist ein literarisch feiner, tief emotionaler Roman über Trauer, Natur und den Weg zurück ins Leben. Für alle, die stille Bücher mit großer Wirkung lieben.


Die Frau und der Fjord von Anette Strohmeyer.

Am 15.04.2025 im Wunderlich Verlag (Rowohlt) erschienen.
ISBN: 978-3-8052-0119-3 / 416 Seiten

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