„Mandel“ von Won-pyung Sohn

Werbung: Herzlichen Dank an die Aufbau Verlage für das Rezensionsexemplar.

Wie ist wohl ist, keine Angst zu haben, keine Freude oder Wut zu empfinden? Ich kann es mir nicht vorstellen, aber genau darum geht es in dem Roman Mandel von Won-pyung Sohn. Die Prämisse hat mich sofort neugierig gemacht und meine Neugierde wurde belohnt, denn Mandel ist ein großartiger Roman.

Mandel – worum geht es?

Der Junge Yunjae ist ein Außenseiter. Eine angeborene Erkrankung macht es ihm schwer, Gefühle wie Angst, Freude oder Wut zu empfinden. Als er von einem Tag auf den anderen auf sich allein gestellt ist, wächst er über sich hinaus, schließt überraschend Freundschaft und weckt Kräfte in sich, die er nie für möglich gehalten hätte …

Klappentext

Faszinierende Hauptfigur

Diese Geschichte handelt, kurz gesagt, von einem Monster, das auf ein anderes Monster trifft. Eines dieser Monster bin ich. Aber ich werde Ihnen nicht sagen, ob sie tragisch oder glücklich endet.

Seite 9

Mandel ist ein faszinierender Roman, der mich aufgrund seines außergewöhnlichen Protagonisten begeistert hat. Yunjae hat eine seltene emotionale Störung, die es ihm unmöglich macht, Gefühle zu empfinden. Wenn er bedroht wird, empfindet es nichts; als er Zeuge wird, wie ein Amokläufer eine Bluttat begeht, empfindet er nichts; als seine Oma stirbt, empfindet er ebenfalls nichts. Das liest sich interessant und irgendwie befremdlich, da ich mir einfach nicht vorstellen kann, wie es ist, nichts zu empfinden.

Um es mit Omas Worten zu sagen, ist ein Buchladen ein Ort, in dem Schriftsteller dicht an dicht nebeneinander leben, tot oder lebendig, Seite an Seite. Doch Bücher sind still. Sie bleiben stumm, bis jemand sie öffnet. Dann erzählen sie eine Geschichte…

Seite 114

Innere Kämpfe

Die Geschichte wird aus Yunjaes Perspektive erzählt und regt damit zum Nachdenken über die Natur von Emotionen und menschlichen Beziehungen an. Die Hauptfigur ist eine komplexe Figur, die ich sofort in mein Herz geschlossen habe. Obwohl der Junge unfähig ist, Gefühle zu empfinden, wirkt er sehr lebendig.

Die Diagnose der Ärzte lautete Alexityhmie. Das ist die Unfähigkeit, Gefühle auszudrücken und zu erkennen.

Seite 26

Der Autorin gelingt es nämlich meisterhaft, Yunjaes innere Welt zu skizzieren, indem sie seine Gedanken und Beobachtungen in einer klaren und eindringlichen Sprache darstellt. In den unterschiedlichsten Momenten werde ich Zeuge seiner Kämpfe, seiner Isolation und seines Wunsches, die Welt um ihn herum zu verstehen, auch wenn er nicht in der Lage ist, sie emotional zu erleben.

Auch die Nebenfiguren haben mich begeistert. Yunjaes Mutter ist eine tolle Frau. Sehr berührend die Momente, in denen sie ihrem Sohn vermittelt, wie er bestimmte Emotionen erkennen kann, und wie er adäquat darauf reagieren soll. Ihr gehört ein Buchladen, den ihr Sohn nach einem schlimmen Ereignis aber bald alleine führen muss. Witzig auch Yunjaes Oma, die öfter einen kecken Spruch von sich gibt.

»Was für eine Mutter nennt ihre Tochter bitte ein ›verwestes Miststück‹?«, beschwerte sich Mama. »Was soll daran falsch sein? Alle Menschen sterben und verwesen. Ich fluche nicht, ich sage nur die Wahrheit«, konterte Oma.

Seite 41

Universelle Fragen

Ich mochte Yunjae so gern und beim „Showdown“ am Ende, habe ich mitgelitten und gehofft, dass ein Lichtstrahl seine Welt durchdringt. Dabei ist Yunjaes Unfähigkeit, Emotionen zu erleben, auch ein universelles Thema, das den Leser zu tiefgründigen Fragen führt: Wie definieren wir unsere Beziehungen zu anderen? Was bedeutet es eigentlich, „menschlich“ zu sein? Mich hat Mandel sehr begeistert und berührt und ich kann euch dieses wundervolle Buch nur aus ganzem Herzen empfehlen.

Wenn Traurigkeit und Enttäuschung überhandnehmen und keine Lösung in Sicht ist, kommen die Menschen auf schlechte Gedanken.

Seite 188

„Mandel“ ist nicht nur ein Roman über einen Mann, der keine Gefühle empfinden kann, sondern auch eine eindringliche Erkundung der menschlichen Erfahrung

Fazit

Mandel ist ein berührender und intensiver Roman, in dessen Mittelpunkt ein Junge steht, der keine Emotionen empfinden kann. Ich habe diesen faszinierenden Protagonisten nach wenigen Seiten in mein Herz geschlossen und ihn sehr gern durch seine teilweise grausame und blutige Geschichte begleitet.


Mandel (OT: 아몬드 Almond) von Won-pyung Sohn.

Am 15.10.2024 im Blumenbar Verlag (Aufbau Verlage) erschienen.
Aus dem Koreanischen übersetzt von Sebastian Bring.
ISBN: 978-3-351-05126-6 / 224 Seiten

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